Eigentlich hätte Prof. Dr. Stefan Hier- maier gern zwei Berufe. Mindestens. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik/Ernst-Mach-Institut, kurz EMI, hätte sich auch gut ein Leben als Modefotograf vorstellen können. Doch die Faszinationskraft der Forschung war stärker. Genauer: die der Werkstoffe. „Das ist so ein extrem großes Gebiet, dass ich selbst nach so vielen Jahren immer noch neue, spannende Facetten entde- cke“, sagt Hiermaier. Zurzeit beschäftigt er sich zum Beispiel mit der Frage, wie moderne Fahrzeuge in Leichtbauweise aussehen könnten. Werden Karosserie und Innenleben eines Autos aus leichten Materialien gestaltet, wirkt sich das posi- tiv auf den Spritverbrauch aus. Bei aller Sparsamkeit soll der Werkstoff jedoch gleichzeitig sicher sein. „Hier möchte ich gern die Strukturen verbessern, sodass die Insassen rundum geschützt sind.“ Der 50-Jährige leitet nicht nur das EMI, sondern koordiniert als Inhaber der Gips-Schüle-Professur für Nachhaltige Ingenieursysteme zudem den Aufbau des im Oktober 2015 eröffneten Instituts für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH) an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg. Dort stehen zukunftsorientierte Themen im Mittel- punkt, etwa Ressourcenschonung, Ener- gieeffizienz und Resilienz, also die Widerstands-, Anpassungs- und Lern- fähigkeit von Systemen bei Krisen und Katastrophen. „Das alles wird uns noch sehr lange beschäftigen, und wir werden Lösungen haben, die wir uns heute gar nicht vorstellen können“, sagt Hiermaier. organisieren und führen Der Wunsch, Ressourcen und Know-how zu bündeln und aus einem gemeinsamen Wissenspool schöpfen zu können, treibt den Vater einer erwachsenen Tochter auch bei einem anderen Projekt an: dem Leistungszentrum Nachhaltigkeit. „Wir ha- ben in Freiburg eine starke Universität, und wir haben fünf Fraunhofer-Institute, die hervorragend aufgestellt sind – es lag auf der Hand, diese Kompetenzen mitei- nander zu verbinden.“ Ähnliche Leistungs- zentren gibt es in Erlangen und Dresden, das Profilthema Nachhaltigkeit hat sich allerdings nur Freiburg auf die Fahne ge- schrieben. „Mit den innovativen Projekten, die hier entstehen, wollen wir an die In- dustrie in Baden-Württemberg herantre- ten und kooperieren.“ EMI, Leistungszentrum, INATECH – es sind viele Bälle, die Hiermaier in der Luft halten muss. Doch er wirkt kein biss- chen gestresst. Eine Folge guter Orga- nisation und Mitarbeiterführung, sagt er. Bevor er vor 18 Jahren als stellvertre- tender Institutsleiter ans EMI nach Frei- burg kam, war er an der Universität der Bundeswehr in München. Dort hat er Luft- und Raumfahrttechnik studiert, promoviert und sich habilitiert. 2008 folgte seine Berufung auf die außer- planmäßige Professur für Hochdynamik. „Meine Zeit bei der Bundeswehr hat mir erlaubt, mich hinsichtlich des Umgangs mit Menschen in einer Weise zu entwi- ckeln, die mir extrem viel bedeutet und Freude macht“, erzählt Hiermaier. Die Führungsebenen im EMI sind ihm wich- tig. „Sie sind so angelegt, dass die etwa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Umgebung forschen und arbeiten können, die Spaß macht. Das ist mein Verständnis von Führung.“ Gewebe für Airbags, Spezialgläser für Scheiben oder ultraleichte Bleche – das Arbeiten mit Materialien und so ge- nannten Verbundwerkstoffen, in denen mehrere Materialien kombiniert sind, wird Hiermaiers größte Leidenschaft bleiben. Für die zweitgrößte, das Fotografieren, schafft er sich trotzdem noch ganz be- wusst Raum: „Ich kann dabei wunderbar entspannen und die Zeit vergessen.“ Claudia Füßler » www.leistungszentrum- nachhaltigkeit.de Materialien der Zukunft sind stefan hiermaiers größte leidenschaft – die zweitgrößte ist das Fotografieren. Foto: Fraunhofer EMI Fasziniert von Werkstoffen Stefan Hiermaier ist Leiter des Instituts für Nachhaltige Technische Systeme Porträt 24