Prof. Dr. Dieter Martin ist seit 2005 außerplanmäßi- ger Professor für Neuere Deutsche Literatur und seit 2013 Akademischer Oberrat am Deutschen Seminar der Universität Freiburg. Er hat in Erlangen und Heidelberg Germanistik und Musikwis- senschaft studiert, wurde in Heidelberg promoviert und wechselte dann nach Frei- burg, wo er 1998 habilitiert wurde. Seine Forschungs- schwerpunkte sind unter an- derem Literatur und Musik, Textkritik, Editionswissen- schaft sowie Rezeptionsäs- thetik und -geschichte. „Das Blatt blieb einge- spannt, neun Tage lang hat keiner auf der Maschine geschrieben“, notiert die Autorin Christa Wolf – Muße gibt es bei ihr nicht mehr. Foto: spinetta/Fotolia zählen zurück. Typisch für diese Art von Mußeer- lebnis war auch, dass sich das, was dabei entstand, nicht im Voraus planen ließ. Es pas- sierte einfach. Bis zur Gegenwart haben Autoren daran angeknüpft: Günter Grass zum Beispiel, der in seiner Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ während eines Spaziergangs am Meer ins Erzählen kommt. In der Gegenwart, so hat das Forschungsquartett herausgefunden, existie- ren unterschiedliche Erzählmodelle parallel – klassische neben extrem brüchigen. Auch das ist ein Indiz für die Moderne: Alles scheint möglich. Und die Muße? Die lässt sich damals wie heute nicht einfach herbeiführen. Zwar gibt es Tätigkeiten wie Spazierengehen, Meditieren und Schreiben, die ihre Entstehung befördern, aber ein Patentre- zept mit Handlungsanweisungen gibt es nicht. „Wir entwickeln keine Ratgeberliteratur, davon gibt es schon genug“, so Klinkert. Und Dieter Martin er- gänzt: „Muße zu erforschen bedeutet nicht nur, frü- here Denkmodelle zu erkunden, sondern auch, heute den Anstoß für Alternativen zu geben.“ Alter- nativen zu der modernen Praxis, Freizeit im Sinne einer möglichst effizienten Wiederherstellung der Arbeitskraft zu instrumentalisieren. Muße sei aber viel mehr als Freizeit, sagt Martin: „Muße verwei- gert sich dem Gegensatz von Arbeit und Freizeit, der das Dasein in der modernen Gesellschaft be- stimmt.“ Tief in Texte einzutauchen, um aus ihnen die soziale und kulturelle Bedeutung von Muße an die Oberfläche zu holen, ist Abenteuer genug. Da- durch wird Muße für die Allgemeinheit fassbarer. Auch wenn sie eine höchst subjektive Erfahrung bleibt. www.sfb1015.uni-freiburg.de Zum Weiterlesen Feitscher, G. / Sennefelder, A. K. (im Druck): Fernsehverweigerer und Techno-Philosophen. Konzeptionen medialer Muße bei Rainald Goetz, Adam Wilson und Jean-Philippe Toussaint. In: Gemmel, M. / Löschner, C. (Hrsg.): Ökonomie des Glücks. Muße, Müßiggang und Faulheit in der Literatur. Berlin. Martin, D. (2014): Muße, Autonomie und Kreativität in der deutschen Dichtung des 18. Jahrhunderts. In: Hasebrink, B. / Riedl, P. P. (Hrsg.): Muße im kulturellen Wandel. Semantisierungen, Ähnlichkeiten, Übersetzungen. Berlin/Boston, S. 167–179 (= linguae & litterae 35). Klinkert, T. (2013): Muße und Erzählen in der Romania. Vorlesung, Sommersemester 2013, als Podcast veröffentlicht unter: www.pr.uni-freiburg.de/go/podcast-musse Georg Feitscher hat in Greifswald Kommuni- kationswissenschaften und Germanistik und anschlie- ßend in Freiburg und Paris/ Frankreich Neuere Deutsche Literatur studiert. Seit 2013 ist er wissenschaftlicher Mit- arbeiter im Sonderforschungs- bereich 1015 „Muße. Konzepte, Räume, Figuren“. Er promo- viert bei Prof. Dr. Dieter Mar- tin zum Thema: „Stillgestellte Zeit und Rückzugsräume des Erzählens. Muße und Autor- schaft am Beispiel des auto- biografischen Erzählmodells“. Anna Karina Sennefelder hat an der Albert-Ludwigs- Universität Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist seit 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderfor- schungsbereich 1015 „Muße. Konzepte, Räume, Figuren“ und promoviert bei Prof. Dr. Thomas Klinkert zum Thema „Stillgestellte Zeit und Rück- zugsräume des Erzählens. Muße und Autorschaft in au- tobiografisch strukturierten Erzähltexten von Senancour bis Proust“. Foto: Conny Ehm Prof. Dr. Thomas Klinkert hat in Amiens/Frankreich und München Romanistik und Germanistik studiert. Nach der Promotion wechselte er an die Universität Regensburg, wo er 2001 habilitiert wurde. Von 2003 bis 2007 war er in Mannheim Professor für Ro- manistische Literaturwissen- schaft, seit 2007 hat er die gleichnamige Professur an der Universität Freiburg inne. Er forscht unter anderem zu Literatur und Wissen, Literatur und historischer Semantik, Selbstreflexivität der Literatur, Literaturtheorie sowie Literatur und kulturellem Gedächtnis. Fotos: Markus Herb 38