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uni'wissen 02-2013

Wer­ sich­ durch­ die­ ägyptische­ Hauptstadt­ Kairo bewegt, die größte Stadt Nordafrikas, braucht Zeit: Die Wege sind lang, die Straßen häufig verstopft. Treffen mit Freundinnen und Freunden aus anderen Stadtvierteln erfordern Planung, sind aufwendig und schwierig. Viele Bewohnerinnen und Bewohner Kairos haben da- her ihr Smartphone und damit auch soziale Netzwerke immer mit dabei. „Das Internet und vor­allem­Facebook­–­‚al­Face‘­–­sind­bequeme­ und effektive Möglichkeiten, neben Schule oder Beruf kontinuierlich am Leben der Freunde teil- zuhaben“, sagt Kathrin Sharaf. Die Freiburger Ethnologin untersucht in ihrer Dissertation, wie Freundschaftskonzepte der Kai- roer­Mittelschicht­die­Internetnutzung­beeinfl­us- sen­ –­ und­ umgekehrt.­ Sharaf­ ahnte­ zu­ Beginn­ nicht, dass ihre Arbeit außerdem einen besonde- ren, aktuellen Fokus erhalten würde: Mitten in ihre­Forschungen­platzte­die­ägyptische­Revolu- tion; ihre siebenmonatige Feldphase in Kairo 2011 folgte auf den Höhepunkt der dortigen Un- ruhen. „Da hat es dann selbst unter Freunden auf Facebook richtig geknallt“, sagt sie. Aber wer steht in Kairo überhaupt mit wem per Laptop oder Smartphone in Kontakt? Ein Haupt- ergebnis von Sharafs Arbeit lautet: Die im Inter- net gepflegten Freundschaften basieren in der Regel auf Bekanntschaften, die außerhalb des Internets geschlossen wurden. „Kontaktanfragen unter Unbekannten sind eher verpönt“, sagt sie. „Wahre Freundschaft besteht nur, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübergesessen hat“ „Es gilt der Grundsatz: Wahre Freundschaft besteht nur, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübergesessen hat.“ Mit den eigenen Eltern vernetzt Sharaf spricht von einer spezifischen Vorsicht, die­gerade­junge­Ägypterinnen­wahren.­Dahinter­ stehe unter anderem die Befürchtung, dem eige- nen guten Ruf zu schaden, wenn etwa unkontrol- liert Fotos in sozialen Netzwerken verbreitet würden.­ „Die­ ägyptische­ Gesellschaft­ ist­ recht­ konservativ.“ Normvorstellungen, die Freund- schaften im Alltag prägen, spiegelten sich im In- ternet wider: „Man teilt zum Beispiel keine Fotos, auf denen Mädchen Wasserpfeife rauchen.“ Auch viele ältere Kairoerinnen und Kairoer der Mittelschicht sind in sozialen Netzwerken unter- wegs. Es ist nicht unüblich, mit den eigenen El- tern auf Facebook befreundet zu sein. „Es gibt auch­viele­moderne­Mythen,­zum­Beispiel­über­ Brüder, die sich angeblich unter falschem Na- men bei Facebook angemeldet haben, um die Schwester zu kontrollieren.“ Gerade Frauen hätten daher häufig zwei Facebook-Accounts, sagt Sharaf, einen für eine größere Gruppe und einen für enge Freunde: „Es ist eine spezielle Ehre, wenn man zu diesem Freundschafts-Account eingeladen wird.“ Dort würden dann zum Beispiel Fotos von Hochzeiten, Geburten, Feiern oder Urlauben geteilt. Durch das soziale Netzwerk seien die Freunde ständig 9

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