„Der Tumor wechselt nicht die Droge, sondern den Dealer“ Eine Mutation des BRAF-Gens, die häufig vor- kommt, ist die V600E-Mutation. Wenn die Zelle diese Änderung nicht repariert, baut sie das Prote- in B-Raf beim Ablesen falsch zusammen. Im nor- malen, nicht mutierten Zustand hat B-Raf eine Art geschlossenes Maul, solange es nicht aktiv ist. Ras regt B-Raf dazu an, sich selbst Phosphat- gruppen anzuhängen, sich also zu phosphorylie- ren. Dadurch öffnet B-Raf das Maul und ist in einem aktiven Zustand. Dann kann es das nächste Glied in der Signalkette, MEK, aktivieren. Bei der V600E-Mutation ist das Maul immer offen: „Das Molekül ist durch die Mutation in einen Zustand versetzt worden, der die Auswirkungen der Phos- phorylierung perfekt imitiert. Das Maul ist und bleibt geöffnet, obwohl B-Raf eigentlich gar nicht aktiviert worden ist.“ Diese Art der Mutation liegt zum Beispiel bei mehr als 50 Prozent der Menschen, die an schwar- zem Hautkrebs erkrankt sind, vor. Geschwüre, die durch die V600E-Mutation entstehen, lassen sich mit Wirkstoffen behandeln, die B-Raf hemmen. Häufig jedoch werden die Tumore resistent. „Wir sprechen von einer onkogenen Abhängigkeit: Der Tumor ist gewissermaßen süchtig nach dem krebsauslösenden Signal.“ Da Krebszellen häufig genetisch instabil sind, können sie sich weiterent- wickeln und den Ras-B-Raf-MEK-ERK-Signalweg reaktivieren. Bei einigen Patienten beispielsweise mutiert das MEK-Gen so, dass es B-Raf in der Signalkette überbrücken kann. Bei anderen schafft es die Krebszelle, Ras hochzuregulieren. In so ei- nem Fall weiterhin einen B-Raf-Hemmer zu geben wäre fatal: „Ras aktiviert dann in Zusammenarbeit mit dem blockierten B-Raf, das noch an das Medi- kament gebunden ist, eine andere Raf-Variante, sozusagen einen Cousin von B-Raf. Der Signal- weg ist somit wieder und oft wesentlich stärker akti- viert. Der Tumor wechselt nicht die Droge, sondern den Dealer.“ In einer Studie haben Brummer und seine For- schungsgruppe gezeigt, was passiert, wenn das mutierte Gen BRAFV600E aus der Zelle wieder ent- fernt oder mit B-Raf-Hemmern blockiert wird. Zuvor war bereits bekannt, dass V600E ein onkogener Treiber ist, also Krebs erzeugt. Das Team um Brummer hat dies bestätigt und ist einen Schritt weiter gegangen: „Wir haben sozusagen das blo- ckierte Gaspedal wieder funktionsfähig gemacht. Dadurch haben wir demonstriert, dass Zellen nicht nur aufhören zu wachsen, wenn die Mutation um- gangen wird, sondern sich auch wieder differen- zieren.“ Das bedeutet: Die Zellen spezialisieren sich und verhalten sich dadurch weniger aggressiv. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich vom Tumor absetzen, um woanders im Körper Metastasen zu Staffellauf in der Zelle: Die Proteine im Ras-B-Raf-MEK-ERK-Signalweg aktivieren sich nacheinander und übergeben sich sozusagen gegenseitig das Staffelholz. Diese Signalkette spielt eine wichtige Rolle bei vielen Prozessen im Körper, etwa bei der Wundheilung. Illustration: David M. Malambré – DSQ Comics + Design 10 uni wissen 01 2016 10 uni wissen 012016