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uni'wissen 01-2016

Robert Busa war eigentlich ein Mann Gottes. Der Wissenschaft ist er aber als einer der Internet-Urväter in Erinnerung geblieben. Ende der 1940er Jahre begann der jesuitische Priester, einen Index zum Werk des Philosophen Thomas von Aquin zu erstellen. Die Aufgabe: 10.000.000 Wörter so zu sammeln, dass sie für die philologi- sche Arbeit zerlegbar, zerteilbar und unendlich kombinierbar wurden. Busa wurde schnell klar, dass die kühne Theorie die praktischen Fähig- keiten eines Theologen überstieg. Der Forscher hatte einen schrägen Einfall: Was wäre, wenn er einen Computer dazu einsetzen würde, die Schrif- ten, Kommentare und Hymnen des Philosophen zu erfassen? Er konsultierte den Unternehmer Thomas Watson, der die Firma IBM gegründet hatte. Mit dessen Hilfe gelang es Busa, den Kraft- akt innerhalb von sieben Jahren zu stemmen. Ursprünglich waren 40 dafür vorgesehen. Der Priester war der Erste, der die Informatik mit dem geschriebenen Wort verknüpfte. Er gilt als Erfinder der so genannten Digital Humanities (digitale Geisteswissenschaften), die eine Revo- lution in der Forschung einläuteten. Zumindest theoretisch – in der Praxis kam sie nur verzögert in Gang: Zwar ist etwa die Computerlinguistik schon seit knapp 30 Jahren ein etabliertes Fach, und auch die Klassische Philologie greift seit Jahrzehnten auf digitalisierte Quellen zurück. Doch erst in den vergangenen zehn Jahren haben sich die Digital Humanities zum Trend in den Geis- teswissenschaften gemausert, sagen Dr. Stylianos Chronopoulos, Privatdozent Dr. Felix K. Maier und Dr. Anna Novokhatko von der Universität Freiburg. Gemeinsam leiten sie das Projekt „Der digital turn in den Altertumswissenschaften: Wahrneh- mung – Dokumentation – Reflexion“. Das von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften geförderte Vorhaben untersucht, wie sich die Forschung verändert, wenn elementare techni- sche Neuerungen Analysen ermöglichen, die bisher unvorstellbar waren. Kein Vormarsch der Roboter Die neuen digitalen Werkzeuge eröffnen un- endliche Möglichkeiten. Beispiel Briefroman: In nur wenigen Stunden lassen sich 5.000 Bücher auf das Wort „Freundschaft“ scannen – in wel- cher Sprache sie geschrieben sind, spielt keine Rolle. Innerhalb von ein paar Tagen durchforstet der Rechner zudem sämtliche erschienenen Ausgaben der Werke und zeigt an, welche Wör- ter oder gar Sätze von den Herausgeberinnen und Herausgebern von Auflage zu Auflage ver- ändert worden sind. Es gehe jedoch nicht nur um Schnelligkeit, sondern auch um Arbeit auf einem neuen Niveau, unterstreicht Novokhatko: „Ich kann mit den Suchsystemen zum Beispiel auf der historischen, der grammatischen und der sti- listischen Ebene mit einem Klick Anmerkungen zu einem Text einsehen. Früher brauchte ich dazu zehn dicke Bücher auf meinem Tisch – und mehrere Wochen Zeit.“ Obwohl Chronopoulos, Maier und Novokhatko – alle drei in den Altertumswissenschaften behei- matet – für ihre eigene Forschung schon längst mit digitalen Medien arbeiten, gehen sie bei dem Projekt einen entscheidenden Schritt zurück: „Bisher fehlt es an grundlegenden theoretischen Überlegungen“, sagt Chronopoulos. „In Deutsch- land, den USA oder England erscheint immer mal wieder ein Aufsatz zu den Digital Humanities, aber eine Kommunikation zwischen den Fach- disziplinen findet nicht statt“, stellt Maier fest. Auch das Alter spiele bei der mangelnden Ver- ständigung eine Rolle. „Es ist eine Generationen- frage. Zu 95 Prozent arbeiten Akademikerinnen und Akademiker über 40 mit traditionellen Metho- den, bei den Jüngeren ist einfach die Bereitschaft größer, Neues einzubinden.“ Die „Konservativen“ und die „Innovativen“ sollen also endlich mitei- nander ins Gespräch kommen. Dazu gibt ihnen das Trio genügend Gelegenheiten: Über einen Zeitraum von drei Jahren sollen Wissenschaftle- rinnen und Wissenschaftler aus aller Welt zu Workshops nach Freiburg reisen. Die ersten Konferenzen haben bereits stattgefunden. „Es gibt doch nichts Menschlicheres als einen Computer“ 37 uni wissen 01 2016 uni wissen 012016

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