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uni'wissen 01-2015

ge Wissen aus der germanischen Altertumskunde wird an die lokalen Bedürfnisse angepasst“, er- klärt Mohnike. Er wundert sich über die höchst un- terschiedlichen Konstruktionen, die in Paris/ Frankreich, Berlin, Strasbourg oder Kopenhagen/ Dänemark produziert wurden und die doch auf ein und dieselbe Quelle zurückgehen. Unter den Nazis dürfte eine Abbildung wie die aus Épinal un- denkbar gewesen sein. Ihr Interesse am nordischen Menschen und allem Germanischen zielte auf die Verbreitung eines kultur- und staats- bildenden Germanentums: Alle, die dem propa- gierten Idealbild nicht entsprachen, wurden ausgegrenzt und verfolgt. „Die wenigsten Men- schen haben die isländischen Originale gelesen“, vermutet Mohnike. Dass sich deren Elemente den- noch so weit verbreiteten, ist nach seinen Erkennt- nissen nicht zuletzt auf die beliebten Opern von Richard Wagner zurückzuführen. Der Meister soll sich zuvor intensiv mit den nordischen Mythen be- schäftigt haben. Auch die Archäologie habe ihren Teil dazu beigetragen: Carl Doepler habe sich bei seinen Kostümentwürfen für die ersten Bayreuther Festspiele 1876 von archäologischen Erkenntnis- sen inspirieren lassen. Die vergleichende Philologie des 19. Jahrhun- derts zeigte in einem Stammbaum der indogerma- nischen Sprachen, wie sich aus der gemeinsamen Wurzel immer weitere Differenzierungen und da- mit Abgrenzungen zwischen germanischen, slawi- schen und gallo-romanischen Sprachräumen herausbildeten. Mohnike diagnostiziert zwei ge- genläufige Bewegungen: „Die großen Geschich- ten von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit stabilisieren die Erzählung von Identität. Indem sie auf lokale Bedürfnisse abgestimmt werden, werden sie gleichzeitig aus ihrem ursprünglichen geschichtlichen Zusammenhang gelöst.“ Zur gleichen Zeit gesellte sich ihnen in den europäischen Literaturwissenschaften ein ande- res Bild vom Norden hinzu. Einerseits wurden, wie Grage ausführt, „die germanischen Wurzeln fortgeschrieben. Andererseits entdeckte diesel- be akademische Disziplin die moderne skandi- navische Literatur.“ Autoren wie der Däne Jens Peter Jacobsen, der Schwede August Strindberg oder der Norweger Henrik Ibsen thematisierten in ihren Texten, was die Gesellschaft ihrer Zeit bewegte: die Stellung der Frau, wirtschaftliche und soziale Probleme, religiöse Fragen. Nicht nur in Skandinavien erlebten diese Schriftsteller um 1870 ihren Durchbruch. Vor allem der große Dramatiker Henrik Ibsen eroberte die deutschen Bühnen. Die Ibsenfor- schung zeichnete ihn als eine Art nordische Vater Siegmund, Mutter Sieglinde, Sohn Siegfried (von links): Carl Doepler hat sich bei seinen Kostümentwürfen für die ersten Bayreuther Festspiele 1876 mit der ersten vollständigen Aufführung des „Ring des Nibelungen“ von archäologischen Erkenntnissen inspirieren lassen. Quelle: Klassik Stiftung Weimar Karlsson vom Dach, Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, die Kinder aus Bullerbü (von links): Eine Briefmarkenserie zum 80. Geburtstag von Astrid Lindgren zeigt wichtige Figuren der schwedischen Kinder- buchautorin, deren Geschichten das heutige Bild vieler Menschen von Skandinavien be- einflussen. Fotos: rook76/Fotolia 10 Schwerpunkt:ForschungimDreiländereck

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