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uni'wissen 01-2015

der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Nicht nur im Elsass, sondern auch im weiteren Umfeld.“ Die Funde wurden ausgegraben, restauriert und im Archäologischen Museum in Strasbourg gelagert. Das Grab der unbekannten Frau mit- samt den Schmuckstücken war dort ausgestellt. Vor drei Jahren fragte das Museum Brather-Walter, ob sie das Gräberfeld untersuchen wolle. Das war der Beginn eines deutsch-französischen Kooperationsprojekts, das die Deutsche For- schungsgemeinschaft und die französische Agence Nationale de la Recherche gemeinsam finanzieren. Brather-Walter leitet das Projekt zu- sammen mit dem Althistoriker Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer von der Université de Strasbourg. Er wird die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Analysen und die archäologischen Interpretatio- nen, sobald sie vollständig vorliegen, in den Kontext zeitgenössischer Textquellen stellen. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts fand ein bedeutender Wandel statt: der Über- gang von der Antike zum Mittelalter. Die Trans- formation des Weströmischen Reichs führte zu verschiedenen frühmittelalterlichen Nachfolge- reichen. Dafür waren keine Völkerwanderungen verantwortlich, wenngleich diese Zeit durch gro- ße Mobilität gekennzeichnet ist. Deshalb ist es so interessant, wer in Niedernai – damals eine Region unter römischer Herrschaft – begraben liegt: Handelt es sich um einen Friedhof für zu- gewanderte Germanen, für die lokale römische Bevölkerung oder für Angehörige des römischen Militärs, gleich welcher Herkunft? Für das For- schungsteam steht die Frage im Zentrum, ob die im archäologischen Material zu erkennenden grundlegenden kulturellen Veränderungen ur- sächlich auf die Zuwanderung aus östlichen Ge- bieten zurückzuführen sind oder ebenso durch eine kulturelle Neuorientierung der zuvor römi- schen Bevölkerung zu erklären wären. Erbinformation, Knochen und Zähne Um Antworten zu finden, sagt Brather-Walter, sei die Arbeit ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den Biowissenschaften unverzichtbar: Zunächst uni wissen 01 2015 Am Ende des 5. Jahrhunderts nach Christus wurde dort, wo heute der elsässische Ort Niedernai liegt, eine Frau mit vielen Schmuck- stücken neben anderen Verstorbenen auf einem Gräberfeld bestattet. Wie ernährte sie sich? Ver- brachte sie ihr gesamtes Leben in dieser Regi- on? Wurden Familienmitglieder bei ihr begraben? Diesen Fragen geht die Archäologin Dr. Susanne Brather-Walter an der Universität Freiburg nach. Zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftlern aus Deutschland und Frankreich un- tersucht sie, ob die archäologischen Quellen aus der Zeit nach dem Ende des Weströmischen Reichs, also ab Mitte des 5. Jahrhunderts bis ins frühe 6. Jahrhundert, grundsätzlich überdacht und gegebenenfalls neu interpretiert werden müssen. Im Gegensatz zu älteren Studien, die diese Fragen nur anhand ausgewählter archäologi- scher Funde zu beantworten suchten, analysiert das Forschungsteam um Brather-Walter die ge- samte Breite aller Funde von Niedernai und setzt ein weites Spektrum naturwissenschaftlicher Methoden ein: Untersuchung alter DNA, Radio- karbondatierung, Isotopenuntersuchung und Halbedelsteinanalyse bieten die Möglichkeit, tra- ditionelle Interpretationsmuster zu überprüfen. „Die Naturwissenschaften allein können die Fra- gen nicht beantworten“, sagt Prof. Dr. Sebastian Brather, am Projekt beteiligter Archäologe. „Aber sie liefern uns Daten und Ansätze für neue Inter- pretationshorizonte.“ Vollständig und unzerstört Das Grab der im 5. Jahrhundert verstorbenen Frau, von den Forschenden als Grab 33 bezeich- net, wurde 1995 entdeckt: Als eine neue Auto- bahntrasse gebaut werden sollte, wurden die umliegenden Felder mit einer Fläche von knapp 1.000 Quadratmetern systematisch mit Baggern durchsucht, wie es in Frankreich vor großen Bauprojekten üblich ist. Dabei stieß man auf ei- nen Friedhof mit 32 Gräbern und 33 Bestatteten, die sich tief in der Erde befanden und deshalb unzerstört waren. Für Brather-Walter ist dieser Fund ein Glücksfall: „Der Friedhof in Niedernai ist die einzige vollständig und modern ausgegra- bene sowie weitgehend ungestörte Nekropole aus „Niedernai ist für uns ein Glückstreffer“ 21 uni wissen 012015

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