Stimmt also die Hypothese zu den unterschied- lichen Verhaltensweisen der Waldökosysteme, und was genau löst den Wechsel der Ernährungs- strategie aus? Um das herauszufinden, arbeiten 25 Gruppen aus der Bodenkunde, Forstwissen- schaft, Mikrobiologie, Pflanzenwissenschaft, Hydro- logie und den Geowissenschaften in dem Pro- gramm mit – sechs davon an der Fakultät für Um- welt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Das Team um Lang untersucht die Bo- denstruktur: Partikel im Boden ballen sich zu Ag- gregaten zusammen. Bei diesem Prozess spielen Wurzeln eine wichtige Rolle. Was die Pflanze da- von hat, ist bislang noch unklar. „Wir glauben, dass es wichtig ist, wie Phosphor in diesen Aggre- gaten verteilt ist“, sagt Lang. Befindet sich der Nährstoff auf der Oberfläche, können die Wurzeln ihn leichter aufnehmen, im Inneren dagegen ist er besser vor der Auswaschung geschützt. Die Phosphorverteilung in den Aggregaten will das Team zu einem späteren Zeitpunkt un- tersuchen. Bislang hat es sich mit der Größe der Partikelballen an den fünf Standorten beschäf- tigt. Es stellte sich heraus, dass die Aggregate an den phosphorarmen Standorten kleiner und stabiler sind. Eine mögliche Erklärung ist: Zwi- schen den Aggregaten entstehen Poren, durch die Nährstoffe aus der Humusschicht, die von Mikroorganismen freigesetzt werden, nach un- ten sickern. Umschließen Feinwurzeln ein Ag- gregat, kann die Pflanze die Nährstoffe gut abgreifen. „Durch manche Poren fließen beson- ders viele Nährstoffe, durch andere weniger – so wie Autobahnen stärker befahren sind als Land- straßen“, sagt Krüger. Die Pflanzen lenken also möglicherweise die Stoffflüsse im Boden zu ih- rem eigenen Vorteil. „Aber das sind ganz neue Ideen, die sich erst noch beweisen müssen.“ Außerdem stellt das Team die Bodenproben für die 25 Arbeitsgruppen zentral bereit und erhebt Daten, die für alle wichtig sind. Dazu zählen unter anderem der Boden-pH-Wert, die Menge und Ver- teilung der Wurzeln, der Anteil von Steinen und Erde je Quadratmeter und die Dicke der Humus- schicht. „Alle Beteiligten bekommen vergleichbare Proben, die repräsentativ für die einzelnen Stand- orte sind“, betont Krüger. Nach drei Jahren wird das Team einen Zwischenbericht und nach sechs Jahren den Abschlussbericht schreiben – auch das gehört zur Koordination des Vorhabens. Es muss also aus allem, was die Gruppen erarbeiten, die zentralen Ergebnisse herausfiltern und zu ei- nem Gesamtbild zusammensetzen. Einsichten für Forst- und Landwirtschaft Die meisten Erkenntnisse des ersten For- schungsjahrs stützen den Freiburger Wissen- schaftlerinnen zufolge die zentrale Hypothese. Wichtig erscheint zum Beispiel der Befund, dass das organische Material an den schlecht ver- sorgten Standorten eine zentrale Rolle spielt: Je phosphorärmer der Mineralboden eines Stand- orts ist, desto mächtiger ist die Humusauflage und desto stärker ist die darunterliegende obere Bodenschicht von Wurzeln durchzogen. „Ein dichter Wurzelfilz sorgt dafür, dass die Pflanzen den aus dem Humus freigesetzten Phosphor so- fort wieder aufnehmen, sodass nichts verloren geht“, sagt Krüger. Für eine Überraschung ha- ben zudem die Teilprojekte aus der Mikrobiolo- gie gesorgt: „Die Forscher haben an den reichen und armen Standorten komplett unterschiedliche Zusammensetzungen der Arten von Mikroorga- nismen gefunden“, berichtet Lang. „Nun wollen sie untersuchen, welche Funktionen die einzel- nen Arten jeweils für das Ökosystem haben.“ Am Ende könnte das Programm neue Einsichten für die Forstwirtschaft hervorbringen – etwa in der Frage, wie viel Biomasse dem Wald entzogen wer- den kann. „Früher waren nur Stämme und große Äste wirtschaftlich interessant, während ein Großteil der Baumkrone, die viel Phosphor enthält, im Wald „Wir wollen herausfinden, welche Komponenten und Interaktionen eines Ökosystems für einen geschlossenen Phosphorkreislauf sorgen“ Phosphorverarmung Akquirierende Systeme Recycelnde Systeme Die Grundannahme des Forschungsprogramms: Solange sich viel Phosphor im Boden befindet, bedienen sich Waldökosysteme vor allem aus dieser mineralischen Reserve. Phosphor aus Blättern, Streu und toten Pflanzen wird kaum wiederverwertet, ein großer Teil geht verloren (links). Auf lange Sicht erschöpft sich der Vorrat im Boden. Dann ändern die Ökosysteme ihre Strategie und recyceln den Nährstoff aus dem abgestorbenen organischen Material – ein geschlossener Kreislauf entsteht. Grafik: Professur für Bodenökologie 38