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uni'wissen 01-2015

Ein junger Mann sitzt in einem schwarzen Le- dersessel. Seine Hand liegt auf einer kleinen Tastatur. Auf dem Kopf trägt er eine Haube, an der Elektroden befestigt sind. Er nimmt als Pro- band an einem neurowissenschaftlichen Experi- ment teil. Seine Aufgabe ist einfach: In unregelmäßigen Abständen soll er seinen Finger bewegen und eine der Tasten drücken. Niemand sagt ihm, wann er dies tun soll. Er entscheidet sich frei, wann er seine Hand bewegt – denkt er. Tatsächlich messen die Elektroden an seinem Kopf nicht nur die Aktivität in seinem Gehirn: Durch sie fließt ein schwacher Strom, den der Proband nicht bewusst wahrnimmt. „Damit kön- nen wir bestimmte Areale im Gehirn aktivieren“, erklärt der Freiburger Neurobiologe Prof. Dr. Carsten Mehring. „Unterschiedliche Stimulations- muster erhöhen oder verringern die Wahrschein- lichkeit, dass der Proband seine Finger bewegt. Wir können seine Entscheidung also beeinflus- sen.“ Mit diesem Experiment ergründen die Hirn- forscherinnen und Hirnforscher in Mehrings Team, wie die Aktivität von bestimmten Netzwer- ken aus Nervenzellen mit Bewegung sowie Ver- halten zusammenhängt. Komplizierter Griff zur Kaffeetasse Das Team untersucht, was im menschlichen Gehirn passiert, wenn eine Person zum Beispiel die Hände bewegt oder Fahrrad fährt: Die Forscher wollen verstehen, wie das Gehirn Bewegungen steuert und neue Abläufe erlernt. Dazu entwerfen sie Verhaltensexperimente oder nutzen Methoden wie die Elektroenzephalografie, bei der Elektro- den die Aktivität an der Gehirnoberfläche messen. Zudem arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler an Gehirn-Maschine-Schnittstellen, in die sie das gewonnene Grundlagenwissen ein- fließen lassen. Die Schnittstellen sollen es zum Beispiel gelähmten Menschen ermöglichen, über ein Implantat in ihrem Gehirn einen prothetischen Arm zu steuern. Eine alltägliche Bewegung wie der Griff zur Kaffeetasse scheint einfach zu sein: Man ent- scheidet sich bewusst, sie auszuführen, und der „Sobald es um flexible Bewegungen geht, schlägt bereits ein Kind den besten Roboter“ Rest geschieht automatisch. Unbewusst jedoch laufen viele Prozesse gleichzeitig ab. „Bewegungs- steuerung ist für die Hirnforschung ein schwieri- ges Problem“, sagt Mehring. „Im menschlichen Körper gibt es mehr als 600 Muskeln. Wir wissen nicht genau, wie unser Gehirn diese steuert und kontrolliert.“ Aus diesem Grund ist es bislang nicht möglich, Roboter so zu programmieren, dass sie sich genauso geschickt bewegen wie Menschen. „Man kann einen Roboter so trainie- ren, dass er zum Beispiel eine bestimmte Schachfigur greifen kann. Jedoch kann die Ma- schine nur zum Teil generalisieren und gewonne- nes Wissen auf eine andere Aufgabe übertragen“, erklärt Mehring. Ein Schachcomputer könne zwar die besten Spielerinnen und Spieler schlagen, aber: „Sobald es um flexible Bewegungen geht, schlägt bereits ein Kind den besten Roboter.“ Strukturelles Lernen Die Großhirnrinde des Menschen, das heißt die äußere Schicht des Großhirns, lässt sich in Areale unterteilen, die unterschiedliche Funktio- nen erfüllen. An der Steuerung einer Bewegung sind viele neuronale Netzwerke beteiligt. Das motorische Areal ist für willentliche Bewegungen zuständig: Es leitet Signale ans Rückenmark weiter. Von dort aus erreichen sie die Muskeln. Wenn sich die Umgebung ändert, muss das mo- torische System die Bewegungskommandos an- passen. Daher verarbeitet das visuelle Areal Seheindrücke und das auditive Areal akustische Informationen. Das somatosensorische Areal lie- fert Informationen über den momentanen Mus- kelzustand: Dadurch kann das Gehirn eine Bewegung korrigieren, damit sie so präzise wie möglich ausfällt. „Diese Areale sowie neuronale Netzwerke innerhalb davon arbeiten zusammen, um einen Bewegungsablauf zu verbessern.“ Mehring hat zusammen mit weiteren Wissen- schaftlern ein Konzept entwickelt, das erklärt, wie Menschen einen neuen Bewegungsablauf erlernen und warum sie generalisieren können. „Wer einmal Fahrradfahren gelernt hat, kann für gewöhnlich jedes Modell fahren, egal, ob es ein 13uni wissen 01 2015 13 13uni wissen 01201513

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