Prof. Dr. Marco Prinz hat in Berlin Medizin studiert, wurde dort promoviert und in Göttingen in Neuropatho- logie habilitiert. Er war Postdoktorand und Research Fellow am Institut für Neuropathologie der Univer- sität Zürich/Schweiz und leitet seit 2008 als Ärztlicher Direktor das Institut für Neuropathologie am Univer- sitätsklinikum Freiburg. Prinz ist zudem assoziiertes Mitglied des Exzellenz- clusters BIOSS Centre for Biological Signalling Stud- ies der Universität Freiburg. Für seine Forschung ist Prinz mehrfach ausgezeich- net worden, unter anderem mit dem H. G. Creutzfeld- Preis, dem Young Investigator Award der Internationalen Zytokin-Gesellschaft sowie zuletzt mit dem mit 100.000 Euro dotierten Sobek-Preis. Foto: privat Zum Weiterlesen Erny, D. / Hrabe de Angelis, A. L. / Jaitin, D. / Wieghofer, P. / Staszewski, D. E. / Keren-Shaul, H. / Mahlakoiv, T. / Jakobshagen, K. / Buch, T. / Schwierzeck, V. / Utermöhlen, O. / Chun, E. / Garrett, W. S. / McCoy, K. D. / Diefenbach, A. / Staeheli, P. / Stecher, B. / Amit, I. / Prinz, M. (2015): Host microbiota constantly control maturation and function of microglia in the central nervous system. In: Nature Neuroscience 18, S. 965–977. Prinz, M. / Priller, J. (2014): Microglia and brain macrophages in the molecular age: from origin to neuropsychiatric disease. In: Nature Review Neuroscience 15/5, S. 300–312. Hanisch, U.K. / Kettenmann, H. (2009): Mikroglia: Hausmeister mit Lizenz zum Töten. In: Gehirn & Geist 5/2009, S. 54–59. der Frage beschäftigt, inwieweit die Darmflora mit den Mikrogliazellen im Gehirn agiert. Gar nicht, lautet die naheliegende Vermutung, schließlich gibt es eine Blut-Hirn-Schranke. Die trennt als eine Art Filter den Blutkreislauf vom Zentralnervensystem, um es vor Krankheitserre- gern und Giften zu schützen. Die Idee, Botschaf- ten aus dem Darm seien für Abläufe im Gehirn wichtig, klingt zunächst also absurd. Und doch scheint genau das der Fall zu sein. Die Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler um Prinz ha- ben Mäuse untersucht, die entweder einen normal mit Bakterien besiedelten Darm hatten oder aber völlig keimfrei waren. „Die Mikrogliazellen bei den keimfreien Mäusen waren viel größer als bei denen mit einer Darmflora, zudem waren es insgesamt mehr.“ Darüber hinaus haben sich die äußeren Ärmchen der Mikrogliazellen bei den keimfreien Mäusen plötzlich berührt. Die Forscherinnen und Forscher kannten bisher nur Mikroglia-Netzwerke, in denen die Zellen sich gegenseitig respektieren und einander nicht in die Quere kommen. Die Schlussfolgerung: Offensichtlich ist die Reifung der Mikrogliazellen von den Darmbakterien ab- hängig. Und nicht nur das. Es scheint eine Art ständiger Kommunikation zwischen dem Darm und den Mikrogliazellen zu geben. Signale aus dem Darm „Wir haben Mäuse, die zunächst eine normale Darmflora hatten, keimfrei gemacht und später nur wenige Keimstämme hinzugegeben“, erklärt Prinz. „Wir konnten sehen, wie sich das auswirkt: Die Mikrogliazellen reagieren regelrecht auf das, was im Darm geschieht.“ Besonders Kohlenhy- drate und Ballaststoffe scheinen sich positiv auf die Funktion der Mikrogliazellen auszuwirken – sie werden im Darm in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt. Wie aber kann das Hirn ständig Signale aus dem Darm empfangen? Prinz und sein Team hatten bestimmte Rezeptoren im Ver- dacht, eine Spur, die sich jedoch als falsch er- wies. „Da stehen wir einfach noch am Anfang.“ Auch der mögliche Zusammenhang zwischen dem Abbau der Nervenzellen im Gehirn bei Mul- tipler Sklerose und den Darmbakterien interes- siert die Wissenschaftler. Bestätigen sich ihre Ergebnisse, heißt das: Jeder Mensch kann die Funktion seiner Mikrogliazellen durch seine Er- nährung beeinflussen. Wie kommunizieren die Mikrogliazellen unter- einander? Wie mit dem Darm? Was passiert mit dem Gärtner, der fürs Aufräumen im Hirn zustän- dig ist, wenn er selbst stirbt? Stirbt er überhaupt, oder wird er einfach in einen Ruhezustand ver- setzt? Woher kommen die Mikrogliazellen, wenn sie einerseits schon vor der Geburt angelegt sind, andererseits die Forscher aber deutlich eine Vermehrung der Zellen sehen können? Gibt es eine Art Mutterstamm? „Es gibt noch viel zu entdecken“, sagt Marco Prinz, „und wir sind gerne vorne mit dabei.“ www.neuro.uni-freiburg.de Linsen fürs Gehirn: Kohlenhydrate und Ballaststoffe scheinen sich positiv auf die Funktion der Mikroglia- zellen auszuwirken. Foto: Printemps/Fotolia 15uni wissen 02 2015 15uni wissen 022015