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uni'wissen 02-2015

man vor einigen Jahren bei Bauarbeiten mitten in Zürich/Schweiz stieß. In diesen Fällen war das Holz vor der Zersetzung geschützt. Mehrere Tausend Jahre alte Brunnenschächte und in der Erde konservierte hölzerne Fundamente längst eingestürzter Bauten liefern Tegel deshalb immer wieder aufschlussreiche Erkenntnisse. Aber auch Baumstämme aus Kiesgruben, die in Flusssedimen- ten Jahrhunderte bis Jahrtausende überdauern konnten, sind wertvolle Klimadatenspeicher. Handwerkskunst der Bauern Die Arbeit der Dendrochronologen interes- siert nicht nur Klimaforscher. „Wir sind an der Schnittstelle von Sozial- und Naturwissenschaf- ten“, sagt Tegel. Komplexe Bearbeitungs- und Verzapfungstechniken an dem um 5000 vor Chris- tus gebauten Leipziger Brunnenschacht verraten zum Beispiel, dass die ersten Bäuerinnen und Bauern über viel mehr Handwerkskunst verfüg- ten, als ihr nur aus Steinen und Knochen beste- hendes Werkzeug vermuten lassen würde. Die jahrgenaue Datierung von Baumaßnahmen er- möglicht Angaben zur Siedlungsdynamik in be- stimmten Gebieten und Zeiten. Historikerinnen und Historiker gehen auch der Frage nach, inwie- weit klimatische Verhältnisse Migrationsströme bedingten. So war es beispielsweise zur Zeit der großen Völkerwanderungen im vierten nachchrist- lichen Jahrhundert in Europa besonders kalt und trocken. Tegel warnt allerdings davor, zeitliches Zusammenfallen mit Kausalität gleichzusetzen und das Klima als „allein bestimmenden Faktor menschlichen Verhaltens und gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse“ anzusehen. www.dendro.de Dr. Willy Tegel hat prähistorische Archäo- logie an der französischen École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris und Toulouse studiert. Nach Stationen als wissenschaftli- cher Assistent an der Pfahl- bauten-Denkmalschutzstelle in Hemmenhofen am Boden- see und in Neuchâtel und Bern in der Schweiz sowie Forschungsaufenthalten in Frankreich wechselte Tegel 2008 an das damalige In- stitut für Waldwachstum der Universität Freiburg. Dort wurde er 2013 zum Thema „Jahrringe, Klima und Ge- sellschaft“ promoviert. Schon früh richtete sich Tegels wissenschaftliches Interesse auf die Dendrochronologie, eine auf der Analyse von Baumjahrringen basierende Datierungsmethode, die in der Klimaforschung, den Sozialwissenschaften, der Kunstgeschichte und der Denkmalpflege Anwendung findet. Foto: Thomas Kunz Eichenholz aus der Jungsteinzeit: Ein Freiburger Forschungsteam bestimmte mithilfe der Dendrochronologie das Alter von vier Brunnen bei Leipzig – sie gelten als die ältesten bekannten Holzbauwerke der Welt. Foto: Sächsisches Landesamt für Archäologie, Dresden Zum Weiterlesen Hellmann, L. / Tegel, W. / Eggertsson, O. /  Schweingruber, F. H. / Blanchette, R. / Gärtner, H. /  Kirdyanov, A. / Büntgen, U. (2013): Tracing the origin of arctic driftwood. In: Journal of Geophysical Research: Biogeosciences 118/1, S. 68–76. Tegel, W. / Elburg, R. / Hakelberg, D. / Stäuble, H. /  Büntgen, U. (2012): Early neolithic water wells reveal the world's oldest wood architecture. In: PLoS ONE 7/12, e51374. Büntgen, U. / Tegel, W. / Nicolussi, K. /  McCormick, M. / Frank, D. / Trouet, V. /Kaplan, J. /  Herzig, F. / Heussner, U. / Wanner, H. / Luterbacher, J. /  Esper, J. (2011): 2500 years of European climate variability and human susceptibility. In: Science 331/6017, S. 578–582. 19

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