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uni'wissen 02-2015

bis zur Gegenwart. Sein Forschungsmaterial stammt hauptsächlich aus Nordostfrankreich und Süddeutschland: aus mittelalterlichen Stadt- kernen, den Überresten antiker und prähistori- scher Siedlungen, aus Schützengräben des Ersten Weltkriegs, Kiesgruben oder Sägewerken. Neben dem Computer ist das Mikroskop sein wichtigstes Arbeitsgerät. Unter dem Vergröße- rungsinstrument zählt Tegel Jahrringe und misst deren Breite. Feuchte und milde Jahre ergeben breite Ringe, denn günstige Witterungsbedin- gungen stimulieren das Baumwachstum. Trocke- ne Jahre dagegen schlagen sich in schmalen Ringen nieder. Auch die Dichte, die Anatomie und die chemische Beschaffenheit des Holzes geben wertvolle Auskünfte. Zusammen mit den klimatologischen Erkenntnissen, die aus Bohrun- gen im ewigen Eis gewonnen werden, sind Jahr- ringuntersuchungen die ergiebigste Datenquelle für die heutige paläoklimatologische Forschung. Die Dendrochronologie arbeitet mit Referenz- chronologien, die in Tausenden von Analysen entstehen: Ausgehend von der Gegenwart, un- tersuchen Forscherinnen und Forscher jüngere und dann immer ältere Hölzer von Bäumen mit überlappender Lebenszeit. Der längste dieser Jahr- ringkalender entstand an der Universität Hohen- heim und reicht mittlerweile 12.500 Jahre zurück, also bis zum Ende der jüngsten Eiszeit, weit vor den Anfängen der menschlichen Sesshaftwerdung. „Jahrringe von Bäumen sind so genau und so individuell wie ein Strichcode“, sagt Tegel. Wann wurde der Baum gefällt, von dem der Dachbalken eines mittelalterlichen Wohnhauses im nordost- französischen Troyes stammt? Wie viele Sonnen- tage erlebte die Eiche, die vor 7.000 Jahren in einem Brunnenfundament in der Nähe des heuti- gen Leipzig verbaut wurde? Wie ausgeprägt waren die Klimaschwankungen in dem Gebiet, und wie sprunghaft waren die Änderungen? Die Antworten auf solche Fragen sind für die Klimaforschung essenziell, denn sie liefern präzise Informatio- nen aus prähistorischen Zeiten, aus denen es keinerlei schriftliche Überlieferungen gibt. Mit In- strumenten ermittelte zuverlässige Messdaten decken nur die vergangenen 150 Jahre ab. Oberirdisch verbautes Holz wird von Mikro- organismen zersetzt und überdauert daher kaum mehr als tausend Jahre. Viele ältere Konstruktio- nen aus Holz sind jedoch erhalten geblieben, weil sie in ein dauerfeuchtes Milieu eingebettet waren, wie die Reste der jungsteinzeitlichen Pfahlbauten am Bodensee oder die circa 15.000 Jahre alten Kiefern aus dem Spätglazial, auf die Für jedes Jahr eine Karte: Willy Tegel hat die Klimabedingungen der vergangenen 2.500 Jahre grafisch aufgearbeitet. So war 1315 beispielsweise in weiten Teilen Europas ein regenreiches (grün), 1540 dagegen ein trockenes Jahr (braun). Quelle: Willy Tegel uni wissen 02 2015 „Wir sind an der Schnittstelle von Sozial- und Naturwissenschaften“ 18 uni wissen 022015

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