Lernkonzepte Lernkonzepte uni’lernen: Frau Kirsch, wie kann ein komplexes Organ wie das Gehirn mit Knetmasse dargestellt werden? Janina Kirsch: Wir bauen nicht das kom- plette Organ in seiner vollen Komplexität an einem Tag, sondern arbeiten nach einem Baukastensystem. Jede Woche stellen zwei Studierende eine der Hauptstrukturen des Gehirns vor, zum Beispiel das Kleinhirn, und erklären den Grundaufbau und die wichtigs- ten Funktionen. Als Hilfsmittel zum Ver- ständnis der Anatomie dient ein professio- nelles Plastikmodell. Alltagsbeispiele oder kleine Experimente verdeutlichen die Funk- tionen. Anschließend baut jeder Studierende die Struktur mit Knetmasse nach – und bildet dadurch eine Assoziation zwischen Aufbau und Funktionen der Gehirnstruktur. Warum eignet sich Ihr Ansatz, das Gehirn besser zu verstehen? Das Gehirn ist eine komplexe dreidimensionale Struktur. Schnittbilder zeigen nur einen kleinen Teil, aber es ist schwer zu rekonstruieren, wie die einzelnen Strukturen verlaufen und zusam- menhängen. Ich hatte selbst Schwierigkeiten, mir das richtig vorzustellen. Deshalb habe ich zur Knete gegriffen. Das war der Auslöser, es so auch Studierenden näherzubringen. Wie reagieren die Studierenden darauf? Der Kurs ist immer ausgebucht. Der etwas reißerische Titel macht die Studierenden neu- gierig. Es dauert aber oft zwei bis drei Tage, bis sie sich mit dem Konzept wirklich ange- freundet haben und sich voll darauf einlassen. Viele denken am Anfang, sie könnten nicht kneten, weil sie künstlerisch nicht begabt sei- en – bis sie verstehen, dass das irrelevant ist. Worauf kommt es also an? Es geht darum, etwas zu machen, mitzuden- ken und ein Thema mit allen Sinnen zu erfas- sen. Die Studierenden tauschen sich gegen- Gehirn aus Knete Klein, aber komplett: Nach dem Vorbild eines professionellen Modells hat jeder Kursteilnehmer ein Gehirn geknetet. Fotos: Grah Die Neurowissenschaftlerin Dr. Janina Kirsch hat für ihre Lehrveranstaltung „Das mensch liche Gehirn – ein Mal- und Bastelkurs“ den baden-württembergischen Landeslehrpreis 2011 erhalten. Im Gespräch mit Veronika Schlimpert erklärt sie ihr didaktisches Konzept. uni'lernen2012 38