www.leben.uni-freiburg.de www.wissen.uni-freiburg.dewww.wissen.uni-freiburg.de www.leben.uni-freiburg.de von Nicolas Scherger Wind und Sonne liefern umwelt- freundliche Energie – dochder Ertrag schwankt stark undentspricht nicht immer dem aktuel-len Verbrauch. Eine Methode, dieEnergie über längere Zeit und ingroßem Maßstab zu speichern, istnoch nicht gefunden. Das will einFreiburger Forschungsteam umdie Chemieprofessoren Harald Hil-lebrecht und Ingo Krossing von derAlbert-Ludwigs-Universität ändern:Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler der Universität sowieder Fraunhofer-Institute für SolareEnergiesysteme (ISE) und für Werk-stoffmechanik (IWM) arbeiten daran,die Energie in Wasserstoff zu bin-den und diesen mit Kohlendioxid zuleicht speicherbaren Flüssigkraft-stoffen zu kombinieren. „Unser Zielist eine Technologie mit weltweiter Strahlkraft, die Potenzial für Paten-te, Kooperationen mit der Wirtschaft und erfolgreiche Forschungsanträ-ge bietet“, sagt Hillebrecht. Das Vorhaben steht beispielhaft für die Vision, mit der das „Leis-tungszentrum Nachhaltigkeit“ derUniversität und der Fraunhofer-Gesellschaft Anfang 2015 in diePilotphase gestartet ist. Das LandBaden-Württemberg und die Fraun-hofer-Gesellschaft investieren in denkommenden drei Jahren zusammen etwa 7,2 Millionen Euro mit dem Ziel,die wissenschaftlichen Grundlagen für die Energiewende weiter voran-zutreiben. „Wir gehen mit den fünfFreiburger Fraunhofer-Instituten unter dem Dach des Leistungszen-trums eine langfristige strategische Allianz ein“, sagt Prof. Dr. GuntherNeuhaus, Prorektor für Forschung der Universität und einer der beidenKoordinatoren: Die Volluniversitäthat ein breites Fächerspektrum mitSchwerpunkt auf der Grundlagen-forschung, die Fraunhofer-Institutein Freiburg betreiben angewandte Forschung in Maschinenbau, Elek-trotechnik, Physik, Bauingenieurwe-sen und erneuerbaren Energiesys- temen. IngenieurwissenschaftlicherKern des Leistungszentrums solldas geplante Institut für Sustainab- le Systems Engineering (ISSE) ander Technischen Fakultät werden.Es entsteht ebenfalls in Kooperation zwischen der Universität und den Freiburger Fraunhofer-In- stituten und wird bis zu 14 Professu- ren umfassen. Im Leistungszentrum sind vierSchlüsselthemen vorgesehen: DieWissenschaftler forschen an nach-haltigen Werkstoffen als Grundlage für Produkte, die mit möglichst ge-ringem Materialeinsatz und Ener-gieaufwand zu produzieren sowiewiederverwertbar oder ökologisch abbaubar sind. Sie arbeiten an Ener-giesystemen, die den Umstieg vonfossilen auf erneuerbare Quellen wieBiomasse, Wind, Sonne und Was-ser erlauben und eine zuverlässige Versorgung garantieren. Bei der Re-silienzforschung und der Entwick-lung resilienter Ingenieursystemegeht es darum, die von extremen Wetterereignissen, Industrieunfällen,Terrorismus und anderen Gefahren- quellen verursachten Schäden mög-lichst gering zu halten. Ansätze zurökologischen und gesellschaftlichenTransformation nehmen in den Blick,wie sich technologische Neuheiten auf natürliche und soziale Systemeauswirken – mit dem Ziel, langfris-tige Governance-Strategien zu fin-den, die einen nachhaltigen Wandelermöglichen. „Unser Profil ist bundesweiteinzigartig. Kein anderes Zent-rum für Nachhaltigkeitsforschungist hierzulande thematisch so breitaufgestellt“, sagt Prof. Dr. StefanHiermaier, Leiter des Ernst-Mach-Instituts und ebenfalls Koordinator des Leistungszentrums. In der Pi-lotphase sind bis zu zwölf Projektegeplant. An allen sind Forscherin- nen und Forscher der Universität und der Freiburger Fraunhofer-Institute beteiligt. Eines davon ist den erwähnten Flüssigkraftstoffengewidmet, ein anderes nachhalti- gen Werkstoffen, die sich nach demVorbild von Pflanzen selbst repa-rieren. So können beispielsweisedie Blätter eines Mittagsblumenge-wächses Wunden innerhalb einerStunde versiegeln: Die Wundrän- der rollen sich nach innen ein, unddas gesamte Blatt verbiegt sich solange, bis die verletzte Stelle nachaußen abgeschlossen ist. Dies wirddadurch ermöglicht, dass die Blät-ter im Querschnitt aus kreisförmig angeordneten Gewebeschichtenmit jeweils besonderen mechani-schen Eigenschaften bestehen. Das Prinzip ließe sich möglicher- weise auf technische Schichtmate-rialien übertragen, sagt die BiologinDr. Olga Speck vom BotanischenGarten der Universität: „Solchevon der Natur inspirierten Lösun-gen haben ein großes Potenzial für innovative Technikentwicklung.“Die weiteren bislang bewilligten Projekte befassen sich mit nach-haltiger LED-Beleuchtung, verbes-serten Leichtbaumaterialien, derErfassung von Umweltdaten zurAbschätzung von Georisiken unddem pflanzlichen Werkstoff Ligninals Ausgangsmaterial für einen bio-logisch basierten Kunststoff. Projekte mit der Wirtschaft Die Wirtschaft soll sich ebenfallsbeteiligen: Das Leistungszentrumwill in zusätzlichen, industriefinan-zierten Projekten Firmen einbinden, damit der Transfer wissenschaft-licher Ergebnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen ge-lingt. Das erste dieser so genann-ten Ankerprojekte wird von der Ge-org-H.-Endress-Stiftung gefördert.„Wir hoffen zudem, dass das Zen-trum zu einer Keimzelle für Start-up-Ideen und Existenzgründungenwird“, sagt Hiermaier. Darüberhinaus will das LeistungszentrumFormate für Bürgerbeteiligung er-forschen und selbst anwenden. Da-hinter steht die Annahme, dass dieTransformation hin zu einer nach-haltigen Lebensweise nur im Dialogmit den Bürgerinnen und Bürgerngelingen kann. Über Fachtagungen,Workshops und andere Formatesoll sich ein Netzwerk herausbilden,das Wissenschaft, Industrie, Politik,Verwaltung, Privatleute sowie wei-tere Akteure verbindet. Die Pilotphase bis 2018 soll dazudienen, das Leistungszentrum zuetablieren. „Freiburg ist als GreenCity weltweit bekannt. Unsere Al-lianz wird den Standort nun auchin der Nachhaltigkeitsforschung in-ternational sichtbar machen“, sagtNeuhaus. Das Zentrum soll jungeNachwuchswissenschaftler undideenreiche Unternehmensgrün-der ebenso anlocken wie etablierteSpitzenforscher und Konzerne. Au-ßerdem will es sich mit dem Nach-weis wissenschaftlicher Exzellenz für künftige Förderprogramme desBundes und der Europäischen Uni-on fit machen – und damit seine ei-gene Nachhaltigkeit sichern. Forscher wollen im Leistungszent-rumunteranderemnachhaltigeMa-terialien entwickeln – etwa Schicht-materialien, inspiriert von einemMittagsblumengewächs, und ei-nen Kunststoff aus dem im Holzenthaltenen Werkstoff Lignin. FOTOS: PLANT BIOMECHANICS GROUP FREIBURG, WOMUE/FOTO LIA 01 2015 Gemeinschaft: Leitbild für dieUniversitätsverwaltung > S. 3 Gesellschaft: Magnus Streit über Freiheit und Religion > S. 4 Gesundheit: Projekt „inTensity“ hilft bei Überlastung > S. 8 FOTO:PATRICKSEEGER Die Albert-Ludwigs-Universität und die Fraunhofer-Gesellschaft gehen in Freiburg eine langfristige strategische Allianz ein Energie aus erneuerbaren Quellen speichern, den Verbrauchmithilfe von sparsamen Leuchtmitteln senken: Mit diesenThemen befassen sich zwei Pilotprojekte im Leistungszentrum Nachhaltigkeit. FOTOS: GYULA GYUKLI, CHONES (BEIDE FOTOLIA) Start für das Leistungszentrum Nachhaltigkeit Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de www.leistungszentrum- nachhaltigkeit.de Das Vorhaben steht beispielhaft für die Vision, mit der das „Leis- 01 2014 Licht und Leben: Die Moleküle in der Atmosphäre von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems Tiere und Territorien: Die Risiken zersplitterter Siedlungsräume für das Überleben von Arten Herrscher und Held: Der Streit um das Vermächtnis des französischen Kaisers Napoleon Routenplaner sollen künftig komfortabler, individueller und näher an der Realität sein Der Weg ist das Ziel Licht und Leben: Die Moleküle in der Atmosphäre von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems Tiere und Territorien: Die Risiken zersplitterter Siedlungsräume für das Überleben von Arten Herrscher und Held: Der Streit um das Vermächtnis des französischen Kaisers Napoleon Routenplaner sollen künftig komfortabler, individueller und näher an der Realität sein Der Weg ist das Ziel Aktivität im Gehirn: Wie dermenschliche Körper Bewegungenerlernt und steuert Sicherheit im Labor: Wer überdie Grenzen der Forschungsfreiheitentscheiden sollte Sprache im Wandel: Weshalb vieleJugendliche gerne unvollständigeSätze formulieren Schwerpunkt: Forschung im Dreiländereck 01 2015 Warum nicht nur Alter, Geschlecht und Hautfarbedie menschliche Wahrnehmung prägen Formbare Vorurteile ind und Sonne liefern umwelt- freundliche Energie – dochder Ertrag schwankt stark undentspricht nicht immer dem aktuel-len Verbrauch. Eine Methode, dieEnergie über längere Zeit und ingroßem Maßstab zu speichern, istnoch nicht gefunden. Das will einFreiburger Forschungsteam umdie Chemieprofessoren Harald Hil-lebrecht und Ingo Krossing von derAlbert-Ludwigs-Universität ändern:Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler der Universität sowieder Fraunhofer-Institute für SolareEnergiesysteme (ISE) und für Werk-stoffmechanik (IWM) arbeiten daran,die Energie in Wasserstoff zu bin-den und diesen mit Kohlendioxid zuleicht speicherbaren Flüssigkraft- für die Energiewende weiter voran-zutreiben. „Wir gehen mit den fünfFreiburger Fraunhofer-Instituten unter dem Dach des Leistungszen-trums eine langfristige strategische Allianz ein“, sagt Prof. Dr. GuntherNeuhaus, Prorektor für Forschung der Universität und einer der beidenKoordinatoren: Die Volluniversitäthat ein breites Fächerspektrum mitSchwerpunkt auf der Grundlagen-forschung, die Fraunhofer-Institutein Freiburg betreiben angewandte Forschung in Maschinenbau, Elek-trotechnik, Physik, Bauingenieurwe-sen und erneuerbaren Energiesys- temen. IngenieurwissenschaftlicherKern des Leistungszentrums solldas geplante Institut für Sustainab- le Systems Engineering (ISSE) ander Technischen Fakultät werden.Es entsteht ebenfalls in Kooperation zwischen der Universität und den Freiburger Fraunhofer-In- stituten und wird bis zu 14 Professu- Im Leistungszentrum sind vierSchlüsselthemen vorgesehen: DieWissenschaftler forschen an nach-haltigen Werkstoffen als Grundlage für Produkte, die mit möglichst ge-ringem Materialeinsatz und Ener-gieaufwand zu produzieren sowiewiederverwertbar oder ökologisch abbaubar sind. Sie arbeiten an Ener-giesystemen, die den Umstieg vonfossilen auf erneuerbare Quellen wieBiomasse, Wind, Sonne und Was-ser erlauben und eine zuverlässige Versorgung garantieren. Bei der Re-silienzforschung und der Entwick-lung resilienter Ingenieursystemegeht es darum, die von extremen Wetterereignissen, Industrieunfällen,Terrorismus und anderen Gefahren- quellen verursachten Schäden mög-lichst gering zu halten. Ansätze zurökologischen und gesellschaftlichenTransformation nehmen in den Blick,wie sich technologische Neuheiten auf natürliche und soziale Systemeauswirken – mit dem Ziel, langfris-tige Governance-Strategien zu fin-den, die einen nachhaltigen Wandelermöglichen. „Unser Profil ist bundesweiteinzigartig. Kein anderes Zent-rum für Nachhaltigkeitsforschungist hierzulande thematisch so breitaufgestellt“, sagt Prof. Dr. StefanHiermaier, Leiter des Ernst-Mach-Instituts und ebenfalls Koordinator des Leistungszentrums. In der Pi-lotphase sind bis zu zwölf Projektegeplant. An allen sind Forscherin- nen und Forscher der Universität und der Freiburger Fraunhofer-Institute beteiligt. Eines davon ist den erwähnten Flüssigkraftstoffengewidmet, ein anderes nachhalti- gen Werkstoffen, die sich nach demVorbild von Pflanzen selbst repa-rieren. So können beispielsweisedie Blätter eines Mittagsblumenge-wächses Wunden innerhalb einerStunde versiegeln: Die Wundrän- der rollen sich nach innen ein, unddas gesamte Blatt verbiegt sich solange, bis die verletzte Stelle nachaußen abgeschlossen ist. Dies wirddadurch ermöglicht, dass die Blät-ter im Querschnitt aus kreisförmig angeordneten Gewebeschichtenmit jeweils besonderen mechani-schen Eigenschaften bestehen. Das Prinzip ließe sich möglicher- weise auf technische Schichtmate-rialien übertragen, sagt die BiologinDr. Olga Speck vom BotanischenGarten der Universität: „Solchevon der Natur inspirierten Lösun-gen haben ein großes Potenzial für innovative Technikentwicklung.“Die weiteren bislang bewilligten Projekte befassen sich mit nach-haltiger LED-Beleuchtung, verbes-serten Leichtbaumaterialien, derErfassung von Umweltdaten zurAbschätzung von Georisiken unddem pflanzlichen Werkstoff Ligninals Ausgangsmaterial für einen bio-logisch basierten Kunststoff. Projekte mit der Wirtschaft Die Wirtschaft soll sich ebenfallsbeteiligen: Das Leistungszentrumwill in zusätzlichen, industriefinan-zierten Projekten Firmen einbinden, damit der Transfer wissenschaft-licher Ergebnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen ge-lingt. Das erste dieser so genann-ten Ankerprojekte wird von der Ge-org-H.-Endress-Stiftung gefördert.„Wir hoffen zudem, dass das Zen-trum zu einer Keimzelle für Start-up-Ideen und Existenzgründungenwird“, sagt Hiermaier. Darüberhinaus will das LeistungszentrumFormate für Bürgerbeteiligung er-forschen und selbst anwenden. Da-hinter steht die Annahme, dass dieTransformation hin zu einer nach-haltigen Lebensweise nur im Dialogmit den Bürgerinnen und Bürgerngelingen kann. Über Fachtagungen,Workshops und andere Formatesoll sich ein Netzwerk herausbilden,das Wissenschaft, Industrie, Politik,Verwaltung, Privatleute sowie wei-tere Akteure verbindet. Die Pilotphase bis 2018 soll dazudienen, das Leistungszentrum zuetablieren. „Freiburg ist als GreenCity weltweit bekannt. Unsere Al-lianz wird den Standort nun auchin der Nachhaltigkeitsforschung in-ternational sichtbar machen“, sagtNeuhaus. Das Zentrum soll jungeNachwuchswissenschaftler undideenreiche Unternehmensgrün-der ebenso anlocken wie etablierteSpitzenforscher und Konzerne. Au-ßerdem will es sich mit dem Nach-weis wissenschaftlicher Exzellenz für künftige Förderprogramme desBundes und der Europäischen Uni-on fit machen – und damit seine ei-gene Nachhaltigkeit sichern. Forscher wollen im Leistungszent-rumunteranderemnachhaltigeMa-terialien entwickeln – etwa Schicht-materialien, inspiriert von einemMittagsblumengewächs, und ei-nen Kunststoff aus dem im Holzenthaltenen Werkstoff Lignin. FOTOS: PLANT BIOMECHANICS GROUP FREIBURG, WOMUE/FOTO LIA Gemeinschaft: Leitbild für dieUniversitätsverwaltung > S. 3 Gesellschaft: Magnus Streit über Freiheit und Religion > S. 4 Gesundheit: Projekt „inTensity“ hilft bei Überlastung > S. 8 FOTO:PATRICKSEEGER Die Albert-Ludwigs-Universität und die Fraunhofer-Gesellschaft gehen in Freiburg eine langfristige strategische Allianz ein Energie aus erneuerbaren Quellen speichern, den Verbrauchmithilfe von sparsamen Leuchtmitteln senken: Mit diesenThemen befassen sich zwei Pilotprojekte im Leistungszentrum Nachhaltigkeit. FOTOS: GYULA GYUKLI, CHONES (BEIDE FOTOLIA) Start für das Leistungszentrum Nachhaltigkeit Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de www.leistungszentrum- nachhaltigkeit.de von Stephanie Streif Wer die Stalltüre des Mathisle-hofs in Hinterzarten aufstößt, landet in der Vergangenheit: eineniedrige Decke, altes Holz, einrostiges Fahrrad in der Ecke. DasBauernhaus ist mehr als 300 Jah-re alt, den Hof gibt es sogar nochlänger: mindestens seit Mitte des15. Jahrhunderts. Von altmodischkann aber keine Rede sein, denndie Tiere auf dem Mathislehof wer-den artgerecht gehalten, und dieMilch- und Fleischprodukte sindvon Demeter und Bioland zerti-fiziert. Die Bäuerin auf dem Hofheißt Nicole Raff. Eigentümerin istallerdings die Müller-Fahnenberg-Stiftung, und deren Treuhänderinist die Universität Freiburg. Zusammen mit einem Auszubil-denden bewirtschaftet Raff denHof, manchmal hilft auch ein Prak-tikant. Zehn, elf Stunden täglichmüsse sie schon arbeiten, erzähltsie. „Aber das ist in Ordnung.Hauptsache ist, ich bin viel in derNatur.“ Von den zwei Kaninchenund ein paar Schweinen abgese- hen, beherbergt der Mathislehofvor allem Kühe. Oder besser Käl-ber. Die Mutterkühe stehen aufdem knapp 50 Kilometer entfernt liegenden Untermühlbachhof in St.Georgen im Schwarzwald. Warumdie Trennung von Kuh und Kalb?Die Jungtiere sollen ihren Müttern nicht alle Milch abtrinken, denn in der St. Georgener Hofkäserei wirddaraus Käse gemacht – mal mild, mal geräuchert, mal mit Most undApfelsaft gebürstet. Beide Höfegehören zur Wälder GbR. Sie hatden Mathislehof 2001 gepachtet,um all ihre Kälber unterstellenund selbst aufziehen zu können. Viele werden früher oder spätergeschlachtet, und ihr Fleisch wirdauf Wochenmärkten oder in denHofläden des Mathisle- und desUntermühlbachhofs verkauft. EinTeil der weiblichen Tiere wächst zu Kühen heran. Alle Rinder derWälder GbR sind Vorderwälder – eine alte, aus dem Südschwarz- wald stammende Hausrindrasse, die klein und robust ist. Heimisches Gras fürs Jungvieh Auf der Rückseite des Hofs liegenin Plastik gepackte Pakete, die sogenannte Silage: angewelktes, ge-schnittenes Gras, luftdicht konser- viert. Denn das Jungvieh soll auchim Winter nur heimisches Gras fres-sen. Damit das besonders nährstoff- reich ist, wird der Boden, auf demes wächst, mit gemäß den Prinzi-pien der biologisch-dynamischenLandwirtschaft selbst hergestelltenHornkiesel- und Hornmistpräpara-ten bearbeitet. Zusätzlich gibt esaus Pflanzen gewonnene Kompost- präparate, die die Bodenstruktur verbessern sollen. „Hier oben wirt-schaften wir nachhaltig“, sagt Raff.„Was wir der Natur wegnehmen, ge-ben wir ihr auch wieder zurück.“ Bio bedeutet auch, dass die Käl-ber sich im und um den Stall he-rum frei bewegen können. Nurbeim Fressen wird ihr Kopf manch- mal in einer Halterung fixiert. Dasstöre die Tiere aber nicht. „Diemeisten sind froh, wenn sie dievorgesehene Ration in Ruhe fres- sen können“, berichtet Raff. BeimRundgang durch den Stall erzähltdie Bäuerin, dass man den Rin-dern auf dem Mathislehof auch dieHörner lasse. Demeter vertritt dieAuffassung, dass diese wichtig fürVerdauung und Stoffwechsel sind. Großzügiges Erbe Es scheint kurios, dass eine Stif-tung der Universität den Mathislehofund die dazugehörigen knapp 130Hektar Wald verwaltet. Früher ge-hörte der Hof einer Familie Müller.Vater Norbert war Friseur, Barbier und Chirurg. Nachdem er viele Im-mobilien in Freiburg und Umgebungerworben hatte, wurde er auchzum Bauunternehmer, Sägewer-ker und Holzhändler. 1908 kaufteer den Mathislehof, auf den sichseine Kinder und Erben Karl,Eugen und Frieda nach demBombenangriff 1944 zurück-zogen, bei dem ihr Wohnhausmit dem Restaurant „Fahnen-berg“ in der Freiburger Kaiserstra-ße zerstört worden war. Alle dreiblieben kinderlos und vermachtenihr gesamtes Vermögen inklusiveMathislehof der Universität für eineStiftung. Sie verfügten, dass einDrittel der Stiftungserträge forst-wissenschaftlichen Zwecken sowieder Unterstützung bedürftiger Forst-wissenschaftsstudierender dienensollte. Die übrigen Erträge solltenin die medizinische Krebsforschung fließen. Die Fakultät für Umwelt undNatürliche Ressourcen nutzt dasGebiet noch heute als Lehrwald. „Über die Jahre hat sich dieMüller-Fahnenberg-Stiftung sehr gut entwickelt“, berichtet Andreas Lang, Leiter der Abteilung Stiftung und Vermögen der UniversitätFreiburg. Das Vermögen belaufe sich auf einen mittleren einstelli- gen Millionenbetrag. Mit dem Geldwird auch der Mathislehof erhal-ten. „Denn selbst tragen kannsich so ein Hof heute nur schwer“, sagt Lang. Vor zwei Jahren wur-den für mehrere HunderttausendEuro das Dach neu eingedeckt undeine moderne Fotovoltaikanlageinstalliert. Den Mathislehof wird esalso noch eine Weile geben, dafürhaben seine früheren Bewohnergesorgt. Und er wird bleiben, waser ist – ein Bauernhof wie aus demBilderbuch. 02 2015 Ganz ruhig: Psychologen erfor-schen Resilienz gegen Stress > S. 4 Ganz bunt: Der Wissenschafts-markt lädt zum Staunen ein > S. 8 Ganz exponiert: Christian Wacker über die Kunst des Ausstellens > S.9 Der Mathislehof wirtschaftet nachhaltig – und ist auf kuriose Weise mit der Universität verbunden Glückliche Kühe: Die Tieredürfen sich im und um denStall herum frei bewegen.FOTOS: PATRICK SEEGER Gehöft mit Geschichte Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Hofführungen Wer wissen will, wie auf demMathislehof gewirtschaftet wird,kann an einer kostenlosen Hof-führung teilnehm en und im An-schluss einige Käsesorten desHofladens probieren. Die Füh-rungen finden bis Septembereinmal im Monat statt: am 9. Maiab 14 Uhr sowie am 6. Juni,11. Juli, 8. August und 12. Sep-tember jeweils ab 15 Uhr. Anmeldung: 07652/982582 oder per E-Mailunter mathislehof@t-online.dewww.waelder-gbr.de Die Bäuerin Nicole Raff veranstaltet Hofführungen – Käseprobe aus eigener Produktion inklusive. ker und Holzhändler. 1908 kaufteer den Mathislehof, auf den sichseine Kinder und Erben Karl, mit dem Restaurant „Fahnen- FOTO:THOMAS KUNZ uni’wissen Das Forschungsmagazin uni’wissen infor- miert mit ausführlichen Berichten über herausragende wissenschaftliche Projekte an der Albert-Ludwigs-Universität. Die Themen spiegeln die Vielfalt der Fach- richtungen an den Freiburger Fakultäten und wissenschaftlichen Zentren wider. In Zukunft wird uni’wissen als „Magazin für Forschung und Lehre“ neben den Forschungsvorhaben auch besonders richtungsweisende Lehr- und Lernprojek- te an der Universität Freiburg vorstellen.uni’leben Die Universitätszeitung uni’leben informiert mit Reportagen, Berichten und Interviews fünfmal jährlich über aktuelle Themen der Universität Freiburg. Sie ist bislang in sieben Rubriken gegliedert: uni’aktuell berichtet über neue Entwicklungen, uni’forschen enthält Beiträge aus der Wissenschaft, uni’campus befasst sich mit dem Leben an der Hoch- schule, uni’menschen stellt Persönlichkeiten vor, uni’kompass bietet serviceorientierte Beiträge, uni’persönlich einen Überblick über Personalien. Die Zeitung schließt mit unterhaltsamen Kleinformen in der Rubrik uni’versum. Künftig wird die neue Rubrik uni’lernen über Lehre, Lernen und Studium berichten. Studierende sind ausdrücklich eingeladen, Themen vorzuschlagen, die sie besonders interessieren. uni‘lernen2015 3 012015 012014 012015 022015